„Ich schätze diese Vielfalt so sehr“
Vitaliya Tomm ist seit Februar 2021 neu im Bereich „Strategische internationale Partnerschaften und Programme“. Dort ist sie für die Double- und Joint-Degree-Programme verantwortlich. Im Interview erzählt sie über ihren persönlichen Werdegang, ihr Studium an der TH Wildau und warum sie auch nach ihrem Studium und den ersten beruflichen Erfahrungen immer mit der Hochschule verbunden war und sich schließlich für eine dauerhafte Tätigkeit im „internationalen Team“ entschieden hat.
(Für das Interview haben sich die Gesprächsbeteiligten auf das Du geeinigt.)
Über sich
Vitaliya, wer bist du und wo kommst du her?
Ich heiße Vita - oder Vitaliya Tomm, wenn man meinen Namen vollständig ausspricht. Ich komme aus Slatoust, Russland. Für russische Verhältnisse ist es mit knapp 200 000 Einwohnern eine relativ kleine Stadt. Slatoust liegt etwa 2.000 Kilometer östlich von Moskau und ist eine schöne Stadt mit viel Natur und vielen Bergen.
Als ich vor einigen Jahren das erste Mal als Studentin nach Wildau kam, habe ich mich sofort wohlgefühlt, denn die Natür und das viele Grün haben mich gleich an meine Heimatstadt erinnert.
Über ihr Studium an der TH Wildau
Was und wo hast du studiert?Bereich öffnenBereich schließen
Als ich 17 Jahre als war, habe ich in Sankt Petersburg an der Staatliche Ingenieurökonomischen Universität (ENGECON) einen Studienplatz bekommen. Diese Universität gibt es heute nicht mehr, denn 2012 wurde sie auf Erlass des russischen Ministeriums mit zwei anderen Universitäten zur Staatlichen Wirtschaftsuniversität St. Petersburg (SPbGEU) zusammengeführt. 2012 habe ich mich dann für den Doppel-Studiengang Wirtschaftsingenieuerwesen der Polytechnischen Universität in St. Petersburg immatrikuliert, die in diesem Studiengang eine Kooperation mit der TH Wildau hatte. Ich gehörte damals zu den allerersten Studierenden in diesem Doppel-Studiengang und kam auch 2012 für mein Austausch- und Praktikumssemester nach Wildau.
Was hast du gedacht, nachdem du das erste Mal in Wildau gewesen bist?Bereich öffnenBereich schließen
Wir waren sehr glücklich, dass uns für unsere Seminargruppe eine Motivationsreise angeboten wurde. Das heißt, wir kamen - ich glaube zwischen dem zweiten und vierten Semester - für kurze Aufenthalte nach Wildau, haben intensive Deutschkurse gemacht und schon die ersten Erfahrungen gesammelt.
Unser Eindruck von Wildau war richtig toll: ein netter und schöner Campus, der die Möglichkeit bietet, ruhig zu leben und zu arbeiten oder zu studieren. Gleichzeitig ist Berlin mit dem großzügigen Freizeit- und Kulturangebot nicht weit entfernt. Das war natürlich ein riesengroßes Plus und wir haben das wirklich geschätzt.
Während des Studiums war ich überrascht und begeistert, wie unterschiedlich die Lernmethoden sind, auch, wenn es natürlich zu Beginn ganz schön schwer gewesen ist.
Deswegen wollte ich auch unbedingt Kommilitonen helfen, die dann später nach Wildau gekommen sind. Ich wollte ihnen erklären, was man beachten muss oder was besonders wichtig ist. Deswegen war ich seit 2013 in vielen internationalen Aktivitäten der TH Wildau tätig und ich habe auch einige Projekte begleitet.
Was meinst du mit „verschiedenen Methoden“?Bereich öffnenBereich schließen
Ich finde, dass deutsche Studierende in erster Linie viel selbstständiger arbeiten. In meiner Heimatuniversität wurden wir immer rund um die Uhr betreut, uns wurde immer alles gesagt und wir wurden immer an alles erinnert: „Bitte kommen Sie pünktlich, Labore finden dann und dann statt“ usw.
Als ich nach Wildau kam, wurde uns zu Beginn einmal alles erklärt. Natürlich waren alle für uns auch in der Zukunft da, aber dieses regelmäßige Erinnern und Auffordern, wie ich es kannte, gab es nicht. Und, was ich vor allem lernte: die typische deutsche Pünktlichkeit (lacht).
Und ein sehr großer Unterschied war auch, wie gemeinsame Projektarbeiten zwischen Studententeams in Wildau organisiert waren. In meiner russischen Universität haben wir fast immer alle Laborveranstaltungen oder Belegarbeiten allein gemacht. Deswegen fehlten mir damals die Erfahrungen, wie ich Teamarbeit organisiere. Ich war kein wirklicher Teamplayer. Das hab ich nun gelernt und ich finde es sehr gut.
Ein weiterer Unterschied ist wie praxisorientiert das Studium ist. In Wildau kamen wir nah mit der Praxis in Kontakt und haben das theoretische Wissen aus den Vorlesungen in den Laboren anhand von Praxisbeispielen vertieft.
Hast du damals im Studentenwohnheim gewohnt?Bereich öffnenBereich schließen
Ja, aber in einem in Königs Wusterhausen, das nicht zum Studentenwerk Potsdam gehörte und das es heute nicht mehr gibt. Wir russische Studierende haben damals alle zusammengewohnt. Das fand ich nicht so gut, da ich die deutsche Alltagssprache so nicht üben konnte.
Heutzutage bemühen wir uns, dass alle Studierende, die zum Austauschsemester nach Wildau kommen, gemischt mit nationalen Studierenden im Wohnheim wohnen, um sich so sprachlich besser zu integrieren und gegenseitig voneinanderzulernen.
Hast du jetzt noch Kontakt zu den damaligen Kommilitonen?Bereich öffnenBereich schließen
Ja, ich habe eine kleine Umfrage unter den damaligen Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen gemacht. Insgesamt haben wir inzwischen über 100. Rund 60 Prozent sind wieder zurück nach Russland gegangen, 40 wohnen jetzt in Deutschland und arbeiten schon ganz lange. Viele davon sind in München und Stuttgart in der Automobilbranche beschäftigt und natürlich auch ganz viele in Berlin.
Studierende der TH Wildau sind in der Automobilbranche sehr beliebt. Ein ehemaliger Kommilitone sagte, dass allein in seiner Abteilung zwei Kollegen arbeiten, die in Wildau studiert haben.
Was hast du denn an der TH Wildau besonders schätzen gelernt?Bereich öffnenBereich schließen
Ich fand immer interessant, wie international meine Seminargruppe war.
Einmal habe ich bei einer Veranstaltung in der Bibliothek gemerkt, was für eine schöne Mischung es ist, wenn sehr viele Kulturen an der Hochschule zusammenkommen. Bei dem sogenannten internationalen Nachmittag konnten alle internationalen Studierenden ihr eigenes Land kurz präsentieren. Das heißt: Man bekam einen Tisch, konnte ein Nationalgericht kochen oder etwas über die Kultur erzählen.
Ich konnte nicht einmal zählen, wie viele Länder dort präsent waren, und das, obwohl man denkt, dass die Hochschule eigentlich nicht so groß ist. Da habe ich zum ersten Mal gedacht, dass es toll wäre, auch international zu arbeiten, denn ich schätze diese Vielfalt so sehr.
Über ihre jetzige Tätigkeit und das Leben rund um die TH Wildau
Welche Erfahrungen bringst du mit für deine Tätigkeit an der TH Wildau?Bereich öffnenBereich schließen
Bereits seit 2013 habe ich immer wieder an internationalen Projekten an der TH Wildau auf Honorarbasis gearbeitet. So war ich bspw. an einem (ehemaligen) An-Institut der TH Wildau namens „IBA knowledge Networks“ angestellt. Dort gab es zahlreiche internationale Projekte, die jetzt vom Bereich „Strategische internationale Partnerschaften und Programme“ im Zentrum für Internationale Angelegenheiten, aber auch zahlreichen anderen Abteilungen übernommen wurde.
Gelebt habe ich in Frankreich und zuletzt in den Niederlanden - auch da sieht man meinen internationalen „Fußabdruck“.
Jetzt freue ich mich, dass ich zurück und mit im Boot bin.
Kannst du uns ein bisschen von deiner jetzigen Tätigkeit erzählen?Bereich öffnenBereich schließen
Die Stelle heißt Referentin für Double und Joint Degrees und ist im Bereich im Bereich „Strategische internationale Partnerschaften und Programme“ im Zentrum für Internationale Angelegenheiten angesiedelt.
Ich unterstütze in erster Linie die Studiengangsverantwortlichen, Partneruniversitäten und natürlich vor allem Studierende . Meine Stelle verbindet Operatives und Strategisches, sodass ich sozusagen die bestmögliche Unterstützung für alle Stakeholder anbieten kann. Ich persönlich sehe meine Rolle in all diesen Tätigkeiten als eine Vermittlerin zwischen Projektpartnern verschiedener Länder mit ihren eigenen Lernstandards und Lerqualitäten.
Wir haben bspw. ganz viele Möglichkeiten für ein sogenanntes Twinning zwischen Dozierenden, um entsprechende Fachbereiche zu verbinden, damit sich eine optimale Basis für den inhaltlichen sowie methodischen Wissensaustausch und für die kulturelle Vielfalt entwickelt. Das finde ich ganz wichtig.
Darüber hinaus werde ich bei der Etablierung verschiedener Hochschulstandorte unterstützen sowie Projektmanagementprozesse weiterentwickeln und verbessern.
Als mittel- und langfristige Aufgabe steht die Internationalisierungsstrategie der TH Wildau an und für die Jahre 2021 und 2022 möchten wir auch in der Richtung Qualitätssicherung gehen und die Double-Degree- und Joint-Degree-Programme entsprechend professionalisieren, sodass wir auch hier einheitliche Standards sichern.
Was verbirgt sich hinter den Double- und Joint-Degree-Programmen?Bereich öffnenBereich schließen
In den Double-Degree-Studiengängen studiert man sowohl an einer ausländischen als auch an einer deutschen Hochschule und erhält einen Abschluss von beiden Hochschulen. Der Auslandsaufenthalt ist ein Bestandteil des Studiums und die Studienleistungen aus dem Ausland werden anerkannt.
Im Joint-Degree-Programm gibt es einen gemeinsamen Studiengang, der an verschiedenen Hochschulen absolviert wird und zu einem gemeinsamen Abschluss führt
Ich habe beispielsweise sowohl an meiner Heimatuniversität in St. Petersburg als auch an der TH Wildau studiert. Ich war an beiden Hochschulen immatrikuliert und habe in vier Jahren zwei Abschlüsse gemacht.
Meine Bachelorarbeit habe ich nicht nur in Russland, sondern auch in Wildau geschrieben. Eigentlich waren es sogar zwei Arbeiten - eine auf Russisch und eine auf Deutsch. Die Verteidigung habe in Wildau gemacht und in Russland.
Jetzt haben die Studierenden zum Glück die Möglichkeit einer sogenannter Doppel-Verteidigung. Das heißt: Sie verteidigen bspw. ihre Arbeit in Russland und die deutschen Professoren sind in der der Regel mit dabei. Aktuell wird das unter Pandemie-Bedingungen natürlich online organisiert.
Warum hast du dich für die TH Wildau entschieden?Bereich öffnenBereich schließen
In erster Linie war es wichtig für mich, die Projekte, die mir wirklich am Herzen liegen, auch durchführen zu können. Ich finde so toll und wichtig, dass wir so viele internationale Angebote haben.
Besonderen Wert lege ich aber auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen. Wie ich schon schon gesagt habe, bin ich ja bereits seit 2013 für oder an der TH Wildau tätig, obwohl ich nun erst ab Februar 2021 richtig festangestellt bin. Aber meine Kollegen sind einfach mein Dreamteam.
Unabhänig von allen Herausforderungen, die vor uns standen - dazu gehörten auch meine Wohnorte in Frankreich oder den Niederlanden -, haben wir alles hinbekommen. Wir haben bereits seit ca. 2018 im „Online-Corona-Modus“ miteinander gearbeitet. Dank dieser tolle Zusammenarbeit und diesem Arbeitsklima haben wir immer wieder Wege gefunden.
Ja, diese beiden Dinge waren entscheidend: interessante Projekte und ein wundervolles Arbeitsumfeld.
Redaktioneller Ansprechpartner
Sebastian Stoye
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