Die Identitätsfrage türkeistämmiger Jugendlicher
Die Identitätsfrage türkeistämmiger Jugendlicher
Als Identität bezeichnet man die als „Selbst“ erlebte innere Einheit der Person.
Man unterscheidet zwischen persönlicher und sozialer Identität.
Persönliche Identität meint, dass jemand sich wie im Spiegel selbst erkennen und sich in seinen Handlungen wiederfinden kann.
Soziale Identität hingegen meint, dass das Soziale Umfeld das Verhalten eines Menschen in seinen verschiedenen Lebensbereichen (Familie, Beruf, Freizeit) miteinander verbinden kann.
Dadurch merkt der Betroffene, dass er sozial identisch ist.
Für Jugendliche aus einer anderen Kultur ist es schwierig, die eigene Identität zu finden.
Sie sind gezwungen, sich auf neue, ihnen unbekannte Handlungen einzulassen und ihnen fällt es somit schwer sich abzugrenzen und ihre persönliche Identität aufzubauen. Sie müssen sich anpassen, um den gesellschaftlichen Normen gerecht zu werden.
Da der Unterschied zwischen der türkischen und deutschen Kultur oft ein sehr großer ist, gibt es viele Bereiche, in denen es zu einer Identitätsstörung kommen kann. Sowohl Fragen im Bereich der Erziehung, Religion, Sexualität und Berufswahl müssen beantwortet werden, als auch formelle Fragen nach der Staatsangehörigkeit.
Mit der Beantwortung der Staatsangehörigkeitsfrage hat sich der Jugendliche zwar rechtlich für die eine oder andere Kultur entschieden. Ob und wo er sich letztendlich aber heimisch fühlt, ist damit nicht beantwortet.
In der Gesellschaft, in der er lebt, wird er nicht als Deutscher, auch wenn er hier geboren wurde, angesehen. Allein das Aussehen unterscheidet ihn und grenzt ihn somit vom „Normalem“ ab.
Dennoch hat er sich im Laufe der Jahre zwangsläufig deutsche Verhaltensweisen angeeignet, die sich von denen in seinem „Heimatland“ unterscheiden. Allein der Unterschied im Bereich Schule und Freizeitgestaltung bringt dies mit sich. Deutlich werden ihm diese Unterschiede dann zum Beispiel bei Urlaubsreisen zur Familie in die Türkei. Dort kann es ihm passieren, dass er als „Almanci“ oder „Alman“ (Deutscher) bezeichnet wird. Sicher ist das kein böser Ausdruck; es macht dem Jugendlichen aber deutlich, dass er anders ist und eben nicht „dazugehört“. Somit gehört er nirgendwo so richtig dazu, was nun zur Belastung für den Jugendlichen werden kann und eventuell Identitätskrisen hervorruft.
Man bezeichnet diesen Zustand auch als Mehrfachzugehörigkeit.
„Nationale Mehrfachzugehörigkeit geht mit individuell auszutragenden Belastungen einher, weil soziale Strukturen, in denen Mehrfachzugehörige sich wirksam und authentisch zur Geltung bringen können, eher außergewöhnlich sind. Dieses strukturelle Defizit ist ein Mangel sozialer Anerkennung.“ ( Paul Mecheril, 2000)
Da es wenige soziale Strukturen gibt, in denen „Mehrfachzugehörigkeit“ gelebt werden kann, ist es nicht außergewöhnlich, dass türkische Jugendliche oft unter sich bleiben.
Durch die gegensätzlichen Vorstellungen von Erziehung seitens der Migranteneltern und deutschen Lehrern werden türkische Jugendliche oft zusätzlich verunsichert.
Spielt Autorität in der Erziehung von Jugendlichen türkischer Herkunft noch eine größere Rolle, so ist es doch in unserer „fortgeschrittenen“ Gesellschaft eher üblich, auf Kooperation zu setzen.
Die Jugendlichen spüren, dass Erziehung, wie ihre Eltern sie genossen haben und sie den Kindern weitergeben, für sie selbst nicht mehr in dieser Form lebbar ist.
Das ist eine Inkonsistenz, die Autorität untergräbt, die betroffene Kinder und Jugendliche so verunsichern kann, dass sie kein Kontrollbewusstsein entwickelt können, dass sie nicht wissen: Auf diese Handlung folgt jenes, auf diese Aktion jene Reaktion.